Psychische Belastung im Beruf
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Psychische Belastungen im Beruf

Warum Zeitdruck, Unsicherheit und Erschöpfung systemische Lösungen brauchen

Die stille Krise der Arbeitswelt

In Österreichs Berufsalltag wächst der Druck – doch viele Belastungen bleiben unsichtbar. Während 38 % der Beschäftigten unter starkem Zeitdruck leiden (Austrian Health Report), kämpfen ebenso viele mit Zukunftsängsten, sozialer Isolation oder chronischer Erschöpfung. Die Folgen? Burnout, Depressionen und ein schleichender Verlust von Produktivität und Lebensqualität.

Doch diese Krise ist kein individuelles Versagen. Sie ist Ausdruck struktureller Überforderung – von Personalabbau über Digitalisierungsstress bis zu toxischen Führungskulturen. Gleichzeitig zeigen therapeutische Erfahrungen: Resilienz ist nicht bei allen Menschen gleich stark ausgeprägt. Biografische Prägungen, Lebensphase, Werthorizonte und soziale Ressourcen beeinflussen, wie stark Belastungen wirken.

Dieser Artikel zeigt:

  1. Welche Faktoren psychisch belasten – und warum Coaching allein nicht reicht.
  2. Wie sich Stress kurzfristig und langfristig auswirkt.
  3. Was Führungskräfte tun können – für sich und ihre Teams.
  4. Warum wir eine neue Haltung zur Arbeit brauchen: eine Logoculture.

1. Die größten Belastungsfaktoren im Beruf

1.1 Zeitdruck und Arbeitsverdichtung: Die Illusion der Kontrolle

  • 59 % der Beschäftigten leiden unter Unterbrechungen, Multitasking und hohen Konzentrationsanforderungen (AK Wien).
  • Ursachen: Personalmangel, digitale Dauererreichbarkeit, fehlende Priorisierung.
  • Folgen: Fragmentiertes Arbeiten, ständige Selbstunterbrechung, das Gefühl, „nichts geschafft zu haben“.

1.2 Unsicherheit und Zukunftsängste

  • 42 % fürchten Jobverlust durch Automatisierung (AK-Studie).
  • Inflation, globale Krisen und interne Restrukturierungen verstärken existenzielle Unsicherheiten.
  • Folgen: Präsentismus, innere Kündigung, emotionale Rückzugsreaktionen.

1.3 Soziale Isolation im Homeoffice-Zeitalter

  • 37 % der Remote-Beschäftigten fühlen sich einsam (Uni Wien, 2023).
  • Fehlender informeller Austausch schwächt nicht nur den Teamgeist, sondern auch Innovation und Zugehörigkeitsgefühl.

1.4 Körperliche und psychosomatische Folgen

  • Jede:r Fünfte leidet unter Burnout-Symptomen (OECD).
  • Long COVID, Schlafstörungen, chronische Schmerzen und Erschöpfungssyndrome nehmen zu.

2. Psychische Auswirkungen: Von akutem Stress zur chronischen Erschöpfung

Kurzfristige Warnsignale:

  • Konzentrationsstörungen, Gereiztheit, Schlafprobleme
  • Körperliche Symptome: Tinnitus, Magenbeschwerden, Kopfschmerzen

Langfristige Folgen:

  • Burnout: emotionale Erschöpfung, Zynismus, verminderte Leistungsfähigkeit
  • Angststörungen und Depressionen: WHO stuft sie als Top-Berufskrankheiten ein
  • Psychosomatik: Bluthochdruck, Autoimmunreaktionen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen

Der Teufelskreis:

Wer Symptome ignoriert, greift häufig zu kurzfristigen Kompensationen – etwa Mehrarbeit, Selbstmedikation oder Rückzug. Das verstärkt die Belastung und erhöht das Risiko eines vollständigen Zusammenbruchs.

3. Warum Coaching allein nicht reicht – und was wirklich hilft

Die Grenzen klassischen Coachings:

  • Fokus auf Zielerreichung, Tools und „Performance“
  • Oft kein Zugang zu tieferliegenden Mustern oder psychodynamischen Ursachen
  • Gefährlich bei Burnout, Traumafolgestörungen oder Sinnkrisen

Doch: Coaching ist nicht gleich Coaching.
Professionelle, traumainformierte und systemisch fundierte Coaches können sinnvolle Begleiter sein – etwa bei Rollenklärung, Führungstraining oder Wiedereinstieg nach Krankheit.

Nachhaltige Lösung: Therapie + Unternehmenskultur + Sinnarbeit

  • Psychothérapie: Bearbeitet individuelle Muster, Stressregulation, Lebenskonflikte und biografische Belastungen
  • Unternehmensberatung: Entwickelt gesunde Strukturen, Kommunikation, transparente Prozesse
  • Existenzielle Arbeit (z. B. Logotherapie): Fragt nach dem tieferen Sinn der Tätigkeit. Arbeit wird hier nicht nur Funktion, sondern Antwort auf eine existenzielle Frage.

„Der Mensch ist nicht das Resultat von Bedingungen – er ist deren Mitgestalter.“
– Viktor E. Frankl

4. Handlungsleitfaden für Führungskräfte

1. Prävention im Team etablieren

  • Psychosoziale Check-ins: „Wie geht’s dir wirklich?“
  • Pausenkultur stärken: Meeting-freie Zonen, geregelte Homeoffice-Zeiten
  • Psychische Gesundheit normalisieren: Zugang zu Betriebspsycholog:innen, Psychotherapie ermöglichen

2. Selbstfürsorge vorleben

  • Eigene Grenzen respektieren: „Ich bin nach 18 Uhr nicht mehr erreichbar.“
  • Offenheit: Über eigene Erfahrungen mit psychischen Belastungen sprechen – Stigma abbauen durch Vorbild

3. Kulturwandel ermöglichen

  • Leistung ≠ Erschöpfung
  • Anerkennung von Qualität, Kreativität, Empathie – nicht nur Output
  • Flexible Modelle für Erholung: Sabbaticals, Job-Rotation, 4-Tage-Woche testen

5. Zwischen Resilienz und Verantwortung: Maß und Mitte finden

Psychische Gesundheit ist keine Zusatzleistung, sondern Grundlage für dauerhaft tragfähiges Arbeiten. Doch Vorsicht vor einer neuen Überforderung: Auch der Ruf nach Selbstoptimierung, Achtsamkeit und Resilienz kann zum Druckmittel werden.

Differenzierte Perspektive:

Nicht jede Erschöpfung ist pathologisch, nicht jeder Rückzug krankhaft.
Leiden kann auch Hinweis auf Wertekonflikte soi-disant Sinnleere sein.
Es braucht ein neues Gleichgewicht – zwischen Fürsorge und Zumutung, zwischen Ich-Stärke und Gemeinschaftssinn.

„Sinn ist nicht etwas, was wir aus uns herauspressen. Er ist etwas, dem wir begegnen dürfen – oft mitten im Widerspruch.“
– angelehnt an Viktor E. Frankl

6. Epilog: Auf dem Weg zu einer Logokultur der Arbeit

Was die Arbeitswelt braucht, ist mehr als Tools, Therapien oder Resilienztrainings.
Sie braucht eine Kultur des Sinns.

Eine Logoculture erkennt den Menschen nicht nur als Funktionsträger, sondern als geistiges Wesen mit Freiheit, Verantwortung und Werthorizont. Sie fragt nicht nur: „Was muss ich leisten?“, sondern:

„Wozu leiste ich – und wem diene ich dabei?“

In einer Logokultur ist Arbeit nicht nur Mittel zum Zweck, sondern auch Ort der Begegnung mit Sinn – mit anderen, mit sich selbst und mit der Welt.

„Sinn kann nicht gegeben werden. Aber man kann Räume schaffen, in denen Menschen ihn finden.“
– Robert Kiesinger

Diese Vision ist keine Utopie. Sie beginnt in kleinen Gesten: einem Gespräch, einer Entscheidung, einer Haltung.

Und sie ist ansteckend.

Mehr zur Idee einer sinnorientierten Arbeits- und Lebenskultur unter:
🌐 www.logokultur.info
🌐 www.logoculture.org

Weiterführende Ressourcen

Über den Autor

Robert Kiesinger ist Psychotherapeut und Unternehmensberater mit Schwerpunkt auf psychosoziale Gesundheit am Arbeitsplatz.
Er ist Gründer des Institute for Logoculture und setzt sich für eine neue Verbindung von individueller Heilung und organisationaler Sinnorientierung ein.

Barrierefrei: Dieser Artikel von KI zusammengefasst in einem Dialog


Bild von Gerd Altmann 

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