Wie erkenne ich frühzeitig Anzeichen von psychischen Störungen?
Psychische Störungen können sich auf vielfältige Weise äußern und betreffen Menschen in verschiedenen Lebensphasen und -situationen. Oft entwickeln sich die Symptome schleichend, sodass Betroffene oder ihre Angehörigen die Anzeichen nicht sofort erkennen. Eine frühzeitige Identifikation von psychischen Störungen ist jedoch entscheidend, um rechtzeitig Unterstützung und professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Dieser Artikel bietet eine Übersicht über die häufigsten Symptome, die auf eine psychische Störung hinweisen können, und erklärt, warum eine frühzeitige Intervention so wichtig ist. Dieser Artikel ist allerdings nicht dafür gedacht, selbst Diagnosen zu erstellen. Viele dieser Symptome können auch bei Gesunden immer wieder einmal vorkommen ohne sich zu einer psychischen Störung zu entwickeln. Wenn Sie spezielle Fragen haben, wenden Sie sich unbedingt an einen Psychotherapeuten.
Disclaimer
Dieser Artikel dient ausschließlich der allgemeinen Information und ersetzt keine professionelle Diagnose oder Behandlung. Sollten Sie oder jemand in Ihrem Umfeld Anzeichen einer psychischen Störung bemerken, suchen Sie bitte einen medizinischen oder therapeutischen Spezialisten auf, um eine fundierte Diagnosestellung und geeignete Unterstützung zu erhalten.
Was sind psychische Störungen?
Psychische Störungen sind klinisch signifikante Verhaltens- oder psychologische Syndrome oder Muster, die mit einer gegenwärtigen Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit oder einem deutlichen Leiden verbunden sind (American Psychiatric Association, 2013). Sie können das Denken, Fühlen, die Stimmung und das Verhalten einer Person beeinträchtigen und betreffen oft sowohl das private als auch das berufliche Leben.
Zu den häufigsten psychischen Störungen gehören Depressionen, Angststörungen, Zwangsstörungen, posttraumatische Belastungsstörungen (PTBS), bipolare Störungen und Schizophrenie. Jede dieser Störungen hat spezifische Merkmale, aber viele teilen gewisse übergreifende Anzeichen, die auf ein mögliches Problem hinweisen.
Frühe Anzeichen psychischer Störungen
Die Erkennung früher Anzeichen kann helfen, eine Störung zu behandeln, bevor sie chronisch wird oder sich verschlimmert. Hier sind einige Warnsignale, die darauf hindeuten können, dass eine Person an einer psychischen Störung leidet:
1. Veränderungen im Schlaf- und Essverhalten
Starke Veränderungen in Schlaf- oder Essgewohnheiten sind häufige Frühindikatoren für eine psychische Störung. Menschen mit Depressionen haben beispielsweise oft Schlafprobleme – entweder sie schlafen zu wenig (Insomnie) oder zu viel (Hypersomnie) (Tsuno et al., 2005). Auch der Appetit kann stark schwanken, was entweder zu Gewichtsverlust oder -zunahme führen kann.
2. Anhaltende Traurigkeit oder Reizbarkeit
Es ist normal, gelegentlich traurig oder reizbar zu sein, aber wenn diese Gefühle über einen längeren Zeitraum bestehen, kann dies ein Zeichen für eine Depression oder Angststörung sein. Anhaltende Traurigkeit, Gefühle der Hoffnungslosigkeit und Unfähigkeit, Freude an früheren Interessen zu finden, sind typische Symptome einer Depression (American Psychiatric Association, 2013).
3. Rückzug aus sozialen Aktivitäten
Ein weiteres frühes Warnsignal ist der soziale Rückzug. Menschen, die sich früher aktiv in sozialen Aktivitäten engagiert haben, aber plötzlich aufhören, an ihnen teilzunehmen oder den Kontakt zu Freunden und Familie meiden, könnten unter einer psychischen Störung leiden. Dies kann bei Depressionen, Angststörungen und auch bei Schizophrenie auftreten (Tandon et al., 2008).
4. Konzentrations- und Gedächtnisprobleme
Schwierigkeiten, sich zu konzentrieren oder Entscheidungen zu treffen, sowie Gedächtnisprobleme können frühe Anzeichen einer Depression oder Angststörung sein. Diese kognitiven Beeinträchtigungen können es den Betroffenen schwer machen, alltägliche Aufgaben zu bewältigen oder bei der Arbeit oder in der Schule leistungsfähig zu bleiben (Castaneda et al., 2008).
5. Vermehrte Angst oder Sorgen
Ängste sind ein natürlicher Teil des Lebens, doch wenn sie übermäßig und unverhältnismäßig werden und die täglichen Aktivitäten einschränken, kann dies auf eine Angststörung hindeuten. Menschen mit generalisierten Angststörungen erleben häufig anhaltende Sorgen, die schwer zu kontrollieren sind und oft von körperlichen Symptomen wie Unruhe, Muskelverspannungen und Schlafproblemen begleitet werden (Stein et al., 2015).
6. Verlust der Lebensfreude
Ein alarmierendes Zeichen, insbesondere für Depressionen, ist der Verlust der Freude an Aktivitäten, die früher als angenehm empfunden wurden, wie Hobbys, Sport oder soziale Kontakte. Dieses Symptom, bekannt als Anhedonie, ist oft eines der Hauptmerkmale einer schweren Depression (American Psychiatric Association, 2013).
7. Ungewöhnliche Gedanken oder Überzeugungen
Menschen mit psychotischen Störungen wie Schizophrenie erleben oft ungewöhnliche Gedanken oder Überzeugungen, die nicht der Realität entsprechen. Dies kann sich in Form von Wahnvorstellungen oder Halluzinationen äußern, bei denen die Betroffenen Dinge sehen oder hören, die nicht real sind (Tandon et al., 2008). Diese Symptome erfordern dringende psychiatrische Hilfe.
8. Verhaltensänderungen und riskantes Verhalten
Plötzliche oder drastische Verhaltensänderungen, einschließlich impulsiver oder riskanter Handlungen, können auf eine bipolare Störung oder eine andere psychische Erkrankung hindeuten. Menschen in einer manischen Phase können sich ungewöhnlich energisch, euphorisch oder reizbar fühlen und Verhaltensweisen an den Tag legen, die untypisch oder gefährlich sind (Goodwin & Jamison, 2007).
Warum frühzeitige Intervention wichtig ist
Eine frühzeitige Erkennung und Behandlung von psychischen Störungen kann das Fortschreiten der Erkrankung verhindern und das Risiko für chronische Probleme reduzieren. Studien zeigen, dass frühzeitige Interventionen, insbesondere bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die Langzeitergebnisse erheblich verbessern können (McGorry et al., 2010). Psychotherapie, wie die Logotherapie nach Viktor Frankl, kann Betroffenen helfen, ihre Gedankenmuster zu verstehen und zu verändern sowie ihre Resilienz zu stärken (Frankl, 2011).
Eine unbehandelte psychische Störung kann sich jedoch verschlimmern und erhebliche Auswirkungen auf das Leben der Betroffenen haben – einschließlich der Fähigkeit, Beziehungen aufrechtzuerhalten, beruflich erfolgreich zu sein oder ein allgemeines Gefühl von Lebensfreude zu empfinden. In schweren Fällen können unbehandelte psychische Störungen zu Selbstverletzungen oder Suizidgedanken führen (Beautrais, 2006).
Die frühzeitige Erkennung von Anzeichen einer psychischen Störung kann entscheidend für den Verlauf der Erkrankung sein. Es ist wichtig, auf die eigenen Emotionen und Verhaltensweisen zu achten sowie auf die von nahestehenden Personen, und bei Bedarf frühzeitig professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Psychotherapie kann dabei helfen, die zugrunde liegenden Probleme zu bewältigen und einen Weg zu einem gesünderen, erfüllteren Leben zu finden.
Quellen
– American Psychiatric Association. (2013). *Diagnostic and statistical manual of mental disorders (5th ed.)*. Arlington, VA: American Psychiatric Publishing.
– Beautrais, A. L. (2006). Suicide in Asia. *Crisis: The Journal of Crisis Intervention and Suicide Prevention*, 27(2), 55-58.
– Castaneda, A. E., Tuulio-Henriksson, A., Marttunen, M., Suvisaari, J., & Lönnqvist, J. (2008). A review on cognitive impairments in depressive and anxiety disorders with a focus on young adults. *Journal of Affective Disorders*, 106(1-2), 1-27.
– Frankl, V. E. (2011). *Man’s Search for Meaning*. Beacon Press.
– Goodwin, F. K., & Jamison, K. R. (2007). *Manic-depressive illness: Bipolar disorders and recurrent depression*. Oxford University Press.
– McGorry, P. D., Hickie, I. B., Yung, A. R., Pantelis, C., & Jackson, H. J. (2010). Clinical staging of psychiatric disorders: A heuristic framework for choosing earlier, safer, and more effective interventions. *Australian & New Zealand Journal of Psychiatry*, 40(8), 616-622.
– Stein, M. B., & Sareen, J. (2015). Generalized anxiety disorder. New England Journal of Medicine, 373(21), 2059-2068.
– Tandon, R., Keshavan, M. S., & Nasrallah, H. A. (2008). Schizophrenia,“Just the Facts”: What we know in 2008. Schizophrenia research, 1(100), 4-19.- Tsuno, N., Besset, A., & Ritchie, K. (2005). Sleep and depression. *Journal of Clinical Psychiatry*, 66(10), 1254-1269.