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Was tun bei emotionaler Erschöpfung? Eine Perspektive aus der Logotherapie und Existenzanalyse nach Viktor Frankl

Emotionale Erschöpfung, auch als Burnout bekannt, ist in unserer modernen Welt ein immer häufiger anzutreffendes Phänomen. Sie tritt oft dann auf, wenn Menschen sich durch ständigen Druck, Überarbeitung oder ein Gefühl der Sinnlosigkeit überfordert fühlen. Im Kontext der Logotherapie und Existenzanalyse nach Viktor Frankl bietet die Suche nach Sinn und das Verständnis der eigenen Existenz eine wertvolle Herangehensweise, um emotionale Erschöpfung zu bewältigen und wieder innere Stabilität zu finden.

 Was ist emotionale Erschöpfung?

Emotionale Erschöpfung ist ein Zustand tiefer seelischer Müdigkeit, der oft mit chronischem Stress und Überforderung einhergeht. Sie äußert sich durch Anzeichen wie anhaltende Müdigkeit, das Gefühl, leer oder ausgelaugt zu sein, sowie durch emotionale Distanz zu anderen Menschen oder Aufgaben (Maslach & Leiter, 2016). Diese Erschöpfung betrifft nicht nur den beruflichen Bereich, sondern kann auch das Privatleben beeinträchtigen. Viele Betroffene fühlen sich gefangen in einer Routine, die sie nicht als sinnvoll erleben, und verlieren den inneren Antrieb.

 Logotherapie und emotionale Erschöpfung: Der Verlust des Sinns

In der Logotherapie nach Viktor Frankl steht die Sinnsuche im Mittelpunkt des menschlichen Lebens. Frankl argumentierte, dass der Mensch primär von dem Wunsch getrieben wird, seinem Leben eine Bedeutung zu geben (Frankl, 2011). Emotionale Erschöpfung kann aus einem Gefühl der Sinnlosigkeit entstehen, wenn wir unsere täglichen Tätigkeiten nicht als bedeutsam empfinden oder uns durch äußere Umstände in unserer Freiheit eingeschränkt fühlen. Frankl betonte, dass selbst in schwierigen Lebenssituationen die Möglichkeit besteht, durch eine bewusste Sinnorientierung neue Kraft zu schöpfen.

Emotionale Erschöpfung kann als eine Form der existenziellen Krise verstanden werden, in der der Mensch den Sinn in seinen Handlungen und Beziehungen verliert. Dieser Verlust führt zu innerer Leere und Erschöpfung. Frankl nannte dies das „existenzielle Vakuum“ – ein Zustand, in dem der Mensch keine Orientierung oder innere Erfüllung mehr spürt. Die Herausforderung besteht darin, Wege zu finden, dieses Vakuum zu füllen und wieder eine tiefere Verbindung zum eigenen Leben herzustellen.

 Der Weg aus der Erschöpfung: Sinnsuche als Quelle der Kraft

Die Logotherapie bietet konkrete Ansätze, um emotionale Erschöpfung zu überwinden. Anstatt sich allein auf die Symptome wie Müdigkeit und Frustration zu konzentrieren, lädt die Logotherapie den Menschen dazu ein, sich der Frage nach dem Sinn seines Leidens zu stellen. Laut Frankl hat jedes Leid das Potenzial, einen Sinn zu offenbaren, sofern der Mensch die richtige Haltung dazu entwickelt.

 1. Selbsttranszendenz: Über sich hinauswachsen

Frankl betont in seiner Arbeit die Bedeutung der Selbsttranszendenz, das heißt, das eigene Ich zu überschreiten, um sich auf ein Ziel oder eine Aufgabe zu richten, die außerhalb des eigenen Selbst liegt. Dies könnte im Zusammenhang mit einer beruflichen Aufgabe stehen, aber auch mit zwischenmenschlichen Beziehungen oder einem Engagement für eine größere Sache. Emotional erschöpfte Menschen verlieren oft den Blick für das, was über sie selbst hinausgeht, und konzentrieren sich nur auf den unmittelbaren Druck, unter dem sie stehen.

Ein Weg aus der Erschöpfung besteht darin, sich auf Werte oder Aufgaben zu fokussieren, die nicht nur der eigenen Erfüllung dienen, sondern anderen zugutekommen. So kann beispielsweise das Engagement in ehrenamtlichen Projekten oder die Fürsorge für geliebte Menschen eine neue Sinnquelle darstellen. Diese Selbsttranszendenz hilft, aus der eigenen Isolation und Überforderung herauszutreten und gibt dem Leben neue Bedeutung.

 2. Der Umgang mit unausweichlichem Leid

Ein zentraler Punkt in Frankls Lehre ist, dass der Mensch auch angesichts unvermeidlichen Leids die Freiheit besitzt, eine innere Haltung einzunehmen. Für Menschen, die unter emotionaler Erschöpfung leiden, kann es wichtig sein, das Leid nicht nur als etwas Negatives zu betrachten, sondern nach der Bedeutung dieses Leids zu suchen. Frankl nennt dies die „Trotzmacht des Geistes“ – die Fähigkeit, sich trotz widriger Umstände innerlich zu erheben und dem eigenen Leben eine bewusste Richtung zu geben (Frankl, 2011).

Das bedeutet nicht, dass das Leid ignoriert werden sollte, sondern dass man durch eine reflektierte Haltung die Kontrolle über seine innere Welt zurückgewinnt. Diese Perspektive kann emotionale Erschöpfung lindern, indem der Fokus auf das gelegt wird, was auch im Schmerz noch sinnvoll ist.

 3. Die Bedeutung von Verantwortlichkeit

Frankl betonte, dass Freiheit und Verantwortlichkeit untrennbar miteinander verbunden sind. Emotional erschöpfte Menschen neigen dazu, das Gefühl der Kontrolle über ihr Leben zu verlieren, und fühlen sich oft hilflos gegenüber den äußeren Umständen. Ein wichtiger Schritt zur Überwindung dieser Hilflosigkeit besteht darin, wieder Verantwortung für das eigene Leben zu übernehmen.

Dies bedeutet nicht, dass man alle äußeren Umstände ändern kann, aber es bedeutet, dass man eine bewusste Entscheidung darüber trifft, wie man auf diese Umstände reagiert. Die logotherapeutische Perspektive erinnert daran, dass wir die Freiheit haben, selbst in schwierigen Zeiten Verantwortung für unsere Haltung und unsere Entscheidungen zu übernehmen.

 4. Sinnvolle Pausen und Erholung

Ein oft vernachlässigter Aspekt bei der emotionalen Erschöpfung ist die Notwendigkeit, sich bewusste Pausen zu gönnen. Diese Pausen sollten jedoch nicht nur der Erholung dienen, sondern auch dazu genutzt werden, sich mit der Frage nach dem eigenen Sinn auseinanderzusetzen. Eine achtsame Auszeit – ob durch Meditation, Spaziergänge in der Natur oder das Führen eines Sinn-Tagebuchs – kann helfen, den inneren Kompass wieder auszurichten.

 Praktische Schritte zur Sinnfindung im Alltag

1. Tägliche Reflexion: Nehmen Sie sich jeden Abend einige Minuten Zeit, um darüber nachzudenken, was an diesem Tag für Sie sinnvoll war. War es ein Gespräch, eine Tätigkeit oder eine kleine Geste? Diese bewusste Reflexion stärkt das Bewusstsein für den Sinn im Alltag.

2. Verantwortung übernehmen: Überlegen Sie, in welchen Bereichen Ihres Lebens Sie mehr Verantwortung übernehmen können. Dies könnte bedeuten, eine schwierige Entscheidung zu treffen oder sich bewusst für eine Veränderung in einer Beziehung oder Arbeitssituation einzusetzen.

3. Selbsttranszendenz praktizieren: Suchen Sie nach Möglichkeiten, anderen zu helfen oder sich für etwas Größeres einzusetzen. Selbst kleine Handlungen, die über Ihr unmittelbares Selbst hinausgehen, können einen großen Beitrag zur Sinnfindung leisten.

Emotionale Erschöpfung ist ein Zustand, der nicht nur durch äußeren Stress, sondern auch durch den Verlust von Sinn und innerer Orientierung hervorgerufen wird. Im Sinne der Logotherapie und Existenzanalyse nach Viktor Frankl liegt der Weg aus der Erschöpfung nicht allein in der Reduktion von Belastungen, sondern in der bewussten Suche nach Sinn und der Übernahme von Verantwortung für das eigene Leben. Durch Selbsttranszendenz, die Entwicklung einer sinnvollen Haltung und die Auseinandersetzung mit der eigenen Existenz kann emotionale Erschöpfung in eine Quelle der inneren Stärkung und Erneuerung verwandelt werden.


 Quellen

– Frankl, V. E. (2011). *Man’s Search for Meaning*. Beacon Press.

– Maslach, C., & Leiter, M. P. (2016). *Burnout: A brief history and how to measure it*. In The Oxford Handbook of Organizational Well-Being.

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