Online-Wettspielsucht, eine spezifische Form der Verhaltenssucht, zeigt neurobiologische Mechanismen, die denen substanzgebundener Abhängigkeiten ähneln. Diese Mechanismen umfassen Veränderungen in Belohnungssystemen, exekutiven Funktionen und emotionalen Prozessen.
1. Belohnungssystem und Dopamin
Das mesolimbische Dopaminsystem, insbesondere der Nucleus accumbens, spielt eine zentrale Rolle bei der Entstehung von Online-Wettspielsucht. Gewinne und sogar knapp verfehlte Gewinne (near misses) führen zu einer erhöhten Dopaminfreisetzung, was das Verlangen nach weiterem Spielen verstärkt. Diese Prozesse ähneln den Mechanismen, die bei substanzgebundenen Süchten beobachtet werden.
2. Präfrontaler Kortex und exekutive Funktionen
Der präfrontale Kortex ist für die Kontrolle von Impulsen und die Entscheidungsfindung verantwortlich. Bei Personen mit pathologischem Glücksspielverhalten wurden funktionelle und strukturelle Veränderungen in diesem Bereich festgestellt, was zu einer verminderten Fähigkeit führt, impulsives Verhalten zu kontrollieren und langfristige Konsequenzen zu berücksichtigen.
3. Amygdala und emotionale Verarbeitung
Die Amygdala ist an der Verarbeitung von Emotionen beteiligt. Bei pathologischen Glücksspielern wurde eine erhöhte Aktivität der Amygdala in Reaktion auf Glücksspielreize beobachtet, was zu verstärkten emotionalen Reaktionen und einem erhöhten Drang zum Spielen führen kann.
4. Striatum und Gewohnheitsbildung
Das Striatum, insbesondere das dorsale Striatum, ist an der Bildung von Gewohnheiten beteiligt. Bei pathologischen Glücksspielern wurden Veränderungen in diesem Bereich festgestellt, die zu automatisiertem Spielverhalten führen können, selbst wenn die bewusste Absicht besteht, das Spielen zu stoppen.
5. Neuroplastizität und strukturelle Veränderungen
Langfristiges pathologisches Glücksspiel kann zu strukturellen Veränderungen im Gehirn führen, einschließlich einer Reduktion der grauen Substanz in Bereichen, die mit der Kontrolle von Impulsen und der Entscheidungsfindung verbunden sind. Diese Veränderungen können die Aufrechterhaltung des süchtigen Verhaltens fördern.
6. Genetische Faktoren
Genetische Prädispositionen können das Risiko für die Entwicklung von pathologischem Glücksspielverhalten erhöhen. Untersuchungen haben gezeigt, dass bestimmte genetische Variationen mit einer erhöhten Anfälligkeit für Glücksspielstörungen verbunden sind.
Therapeutische Implikationen
Das Verständnis dieser neurobiologischen Mechanismen ist entscheidend für die Entwicklung effektiver Behandlungsansätze. Therapien, die auf die Normalisierung der Dopaminfunktion abzielen, sowie Interventionen, die die exekutiven Funktionen stärken und emotionale Regulation fördern, könnten besonders wirksam sein. Zudem könnten genetische Informationen genutzt werden, um individuelle Risiken besser zu verstehen und personalisierte Behandlungsstrategien zu entwickeln.
Die Online-Wettspielsucht ist mit spezifischen neurobiologischen Veränderungen verbunden, die sowohl die Entstehung als auch die Aufrechterhaltung des süchtigen Verhaltens beeinflussen. Ein tiefes Verständnis dieser Mechanismen kann zur Entwicklung gezielter und effektiver Behandlungsansätze beitragen.
Quellen und weiterführende links
- https://link.springer.com/chapter/10.1007/978-3-642-38364-9_7
- https://www.dasgehirn.info/krankheiten/sucht/die-neurobiologie-der-sucht
- https://link.springer.com/chapter/10.1007/978-3-662-57860-5_8
- https://link.springer.com/article/10.1007/s15202-014-0717-x
- https://www.aerzteblatt.de/archiv/123239/Pathologisches-Gluecksspielen